In einem militärischen Hauptquartier, vermutlich Bunker. Ein Reporter, ein Brigadegeneral, ein Stenograf, Personal im Hintergrund. An der Wand, oberhalb des elektronischen Geräts ist eine Kriegskarte projiziert. General und Reporter sitzen an einem Nierentisch. Kaffeetassen. Zeitweise holt sich der General Rat aus Papieren, die vor ihm liegen.
Reporter (langer Blick auf den General): General, Sie wissen, daß Sie mit Ihrer Publikation ein heißes Ei gelegt haben?
General: Ich weiß.
Reporter: Politiker werden das nicht fressen.
General: Das weiß ich auch.
Reporter: Sie waren schon bei Guadalcanal dabei?
General: Ja-
Reporter: Und in Korea?
General: Sicher.
Reporter: Und in Vietnam?
General: Sicher.
Reporter: Sie sprechen als Frontoffizier?
General: Als was wohl sonst?
Reporter: Und Sie versprechen sich von den taktischen Atomwaffen nichts ?
General: Sofern nicht einer besonders gläubig ist.
Reporter: Und Sie glauben nicht, daß Ihre Kollegen im Osten das sind?
General: Die sind ungläubig.
Reporter: Schätzen Sie sie damit nicht zu hoch ein?
General: Ich schätze keinen Gegner hoch ein.
Reporter: Ihr Stichwort heißt: Durcheinander.
General (Großaufnahme): Ich sehe das mit den Augen der Fronttruppe.
Reporter: Was sieht denn die Fronttruppe, was weder Sie noch sonst jemand gesehen hat? Es gibt übrigens zur Zeit gar keine Fronttruppe.
General: Abwarten.
Reporter: Wir wiederholen: Wie sieht Ihre gedachte Fronttruppe das Kriegsbild?
General: Mehr oder weniger ...
Reporter: Was sieht sie?
General: Ich hab das schon gesagt.
Reporter: Was haben Sie gesagt?
General (sparsame Geste): Sie sieht ein Durcheinander.
Reporter: Muß man Ihnen die Worte immer einzeln aus der Nase ziehen, Herr General?
General: Passen Sie auf: Das fängt konventionell an. Aber es wird nicht klassisch.
Reporter: Wie ist das zu verstehen?
General: Ich sagte, es fängt konventionell an. . .
Reporter (groß): Die Truppe fährt also in Fahrzeugen aus dem Kasernentor heraus. Ist das so zu verstehen?
General (groß): Richtig. Jetzt bleibt das aber nicht konventionell.
Reporter: Wieso?
General: Die müßten aus den Kasernen 100 km fahren, um in ihre Aufstellungsräume zu gelangen . . .
Reporter: Und Sie glauben, das gibt Durcheinander?
General: Nehmen Sie noch Nieselregen hinzu und nehmen Sie an: Wochenende.
Reporter: Angenommen wird meist, daß nun der Einsatz taktischer Atomwaffen vom Einsatzbefehl des US-Präsidenten abhängt.
General: Das ist eine Annahme.
Reporter: Sie meinen wegen des Durcheinanders?
General: Ja-
Reporter: Sie meinen, daß ein konventioneller, gut gezielter Volltreffer dahin mißverstanden wird, daß der Gegner bereits die Atomschwelle überschreitet?
General: Ich nehme das an.
Reporter: Ihre Lance-Batterien feuern auf die Nachschubwege des Gegners. Was tut Ihre Truppe in diesem Moment?
General: Na, das weiß ich dann bestimmt auch nicht.
Reporter: Wer soll es sonst wissen?
General: Ich wüßte nicht wer.
Reporter (Pause): Ihr Infanterieverband könnte doch die Flanken des Gegners anfallen?
General (groß): Nach meiner ganzen Erfahrung halten die erst mal still. Suchen Orientierung.
Reporter: Und was geschieht dann?
General: Da fragen Sie mich zuviel. Ich sage nur, was nicht stattfindet.
Reporter: Dann wäre das Kriegsbild rasch zu Ende.
General: Das auch wiederum nicht. Es ist vermutlich niemand da, der so etwas beenden könnte.
Reporter (off): Wie sollen wir das verstehen?
General (blickt den Reporter an): Schnell und rasch.
Krieg und Frieden / War and Peace - West Germany 1982 - Directed by: Alexander Kluge, Volker Schlöndorff, Stefan Aust, Axel Engstfeld
Tuesday, 9 April 2013
"Schnell und rasch" - Taktischer Atomkrieg: ein hypothetisches Scenario vom Standpunkt der Infanterie
Posted on 13:57 by Unknown
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